Gefühlsstark

Definition: Gefühlsstark – Was ist das?

Gefühlsstarke Kinder erleben eine Achterbahn der Gefühle von größter Freude über tiefste Traurigkeit bis hin zur wildesten Wut. Wenn Eltern die Hintergründe von Gefühlsstärke kennen, ist das der Schlüssel zu einem besseren Verstehen und Umgehen mit den täglichen Herausforderungen im Familienalltag.

Gefühlsstärke ist ein Persönlichkeitsmerkmal

Der Begriff der „gefühlsstarken Kinder“ wurde von der deutschen Journalistin und Expertin für Familienthemen Nora Imlau geprägt, angelehnt an die „spirited children“, die die US-amerikanische Erziehungsexpertin Dr. Mary Sheedy Kurcinka erstmals 1992 beschrieb (siehe Abgrenzung – „Zur Entstehung der Begriffe“ weiter unten).

Gefühlsstarke Kinder reagieren demnach intensiv auf Sinneseindrücke und Reize, die sie umgeben. Häufig mit starken Gefühlen in allen Extremen. Gleichzeitig tun sie sich schwer, ihre überschäumenden Gefühle zu regulieren. Dieses Phänomen ist weder eine neurologische Entwicklungsstörung noch ein Erziehungsfehler, sondern ein weitestgehend angeborenes, vererbbares Persönlichkeitsmerkmal. Die heftigen Gefühlsausbrüche sind ein Ausdruck von Überforderung, die durch die erhöhte Aufnahme und komplexere Verarbeitung von Informationen im Gehirn entsteht.

Schnelle Überreizung führt zu Überforderung

Als „gefühlsstark“ werden Kinder bezeichnet, die besonders willensstark, temperamentvoll, explosiv und gleichzeitig sensibel, verletzlich und nachdenklich, genauso aber auch in unvorstellbarem Ausmaß begeisterungsfähig sind, wenn sie etwas interessiert.

Regulationsschwierigkeiten erfordern Co-Regulation durch Eltern

Häufig lassen gefühlsstarke Kinder daher scheinbar kleinste Anlässe aus der Haut fahren und sie können sich nicht oder nur sehr schwer selbst beruhigen. Das ist auch für die Kinder selber sehr belastend: Gefühlsstarke Kinder machen kein Drama, wie die deutsche Autorin und Familienexpertin Nora Imlau beschreibt, sondern sie erleben ein Drama.

Um sich beruhigen zu können, brauchen sie die Unterstützung ihrer Eltern, die sie in diesen heftigen Gefühlsstürmen co-regulierend begleiten müssen. Eine unglaublich anspruchsvolle Aufgabe, erfordert es doch von den Eltern selber ihre eigenen Gefühle in diesen aufreibenden Situationen unter Kontrolle zu halten und ruhig zu bleiben. Es ist völlig nachvollziehbar, dass das nicht immer gelingt.

Für Eltern ist der Alltag mit ihren gefühlsstarken Kindern daher ein wahrer Kraftakt und führt immer wieder zu Überforderung, Selbstzweifel und Rechtfertigungsdruck gegenüber ihrem Umfeld. Oft sind sie am Ende ihrer Kräfte, weil die starken Bedürfnisse ihrer Kinder niemals weniger zu werden scheinen.

Gefühlsstarke Eltern

Zudem kommen viele Erwachsene über die Gefühlsstärke ihres Kindes mit ihrer eigenen Gefühlsstärke und Hochsensibilität in Kontakt. Das macht es in Konfliktsituationen natürlich umso schwerer. Die meisten gefühlsstarken Erwachsenen haben seit ihrer Kindheit gelernt, sich anzupassen und ihre starken Gefühle zu unterdrücken, weil diese in ihrem Umfeld nicht geduldet oder respektiert wurden. Sehen sie dann ihr „ausflippendes“ Kind vor sich, das so handelt, wie sie selbst es nie durften, triggert das natürlich enorm. Nora Imlau formuliert dazu sehr treffend, wie es ist, ein gefühlsstarkes,
hochsensibles Kind zu bekommen: „wie ein Therapieplatz, für den man sich nie angemeldet hat.“

Weitere Informationen zum Thema „Gefühlsstarke Eltern“ findest du im gleichnamigen Blog-Beitrag.

Für das TV-Magazin „Bewusst gesund“ des ORF  wurde ich in einem sehr persönlichen Beitrag zum Thema „Hochsensibilität“ interviewt. Darin berichte ich von meinen Erfahrungen als hochsensible Frau und wie mich meine Kreativität und die Kunsttherapie auf meinem Weg begleiten.

Abgrenzung zu Hochsensibilität und Diagnosen wie AD(H)S oder Autismus

Hochsensibilität ist ein Teilaspekt von Gefühlsstärke

„Nicht jedes hochsensible Kind ist gefühlsstark, aber fast jedes gefühlsstarke Kind ist hochsensibel“ schreibt Nora Imlau. Hochsensibilität ist also ein Teilaspekt von Gefühlsstärke.

Das Konzept der Hochsensibilität beschreibt die komplexere Reizverarbeitung im Gehirn: Das vegetative Nervensystem filtert weniger Reize als bei durchschnittlich Sensiblen. Diese „Reizüberflutung“ führt zu Überforderung, aus der bestimmte Verhaltensweisen und Gefühlsausdrücke resultieren. Manche Menschen ziehen sich eher zurück und haben gute Schutzmechanismen, andere haben diese Regulations- und Schutzmechanismen nicht, richten ihre Gefühle quasi ungefiltert nach außen und werden als „gefühlsstark“ wahrgenommen.

Begriffe als Versuch der Beschreibung und Aufklärung– keine „Schubladen“

Wichtig ist für mich, dass Begrifflichkeiten wie „gefühlsstark“ oder „hochsensibel“ Menschen in ihrer Individualität nicht in Schubladen stecken. Forscher*innen und Autor*innen versuchen durch diese Einordnung Betroffenen und ihrem Umfeld Sicherheit für den Umgang mit den Besonderheiten dieses Persönlichkeitsmerkmals zu geben.

Zur Entstehung der Begriffe

Gefühlsstark

Geprägt wurde dieses Phänomen 1992 durch die US-amerikanische Erziehungsexpertin Dr. Mary Sheedy Kurcinka, die sich mit Reiz-sensiblen, temperamentvollen und willensstarken Kindern beschäftigt hat. Sie nannte sie in ihrem Buch „spirited child“. Die deutsche Journalistin und Expertin für Familienthemen Nora Imlau hat die „gefühlsstarken Kinder“ mit ihren zahlreichen Büchern und Artikeln in den letzten Jahren einem breiteren Publikum im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht. Sie selbst ist Mutter eines gefühlsstarken Kindes.

Hochsensibel

1996, also 4 Jahre später erst, beschrieb die US-amerikanische Forscherin Elaine Aron mit dem Konstrukt der „Hochsensibilität“ Menschen mit einer „erhöhten Reizaufnahme und damit verbundenen erhöhten Reizverarbeitung durch das Nervensystem und dem Gehirn“. Die internationale Forschung spricht von „Sensory Processing Sensitivity“.

In der Wissenschaft ist man sich darüber einig, dass es sensiblere und robustere Gemüter gibt. Forschungen aus dem Tierreich zeigen, dass etwa 20% der untersuchten Populationen deutlich wachsamer und vorsichtiger sind als die anderen. Diese Kombination aus aufmerksameren und wagemutigeren Individuen scheint der Evolution am besten zu dienen lautet die Schlussfolgerung.

Gefühlsstärke und Diagnosen wie AD(H)S und Autismus

Gefühlsstärke an sich ist keine Diagnose, kann aber auch in Kombination mit diagnostizierbaren neurologischen Entwicklungsstörungen wie z.B. ADHS/ADS oder dem Autismus-Spektrum auftreten.

Auch hier sind die betroffenen Menschen reizoffen, nehmen Gefühle besonders intensiv wahr und haben häufig Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu regulieren. Aber darüber hinaus gibt es weitere, von Gefühlsstärke oder Hochsensibilität abgrenzbare Symptome, die im Rahmen einer psychologischen Diagnostik abgeklärt werden können. Das Ergebnis der Diagnostik hilft, gezielte Unterstützung zu ermöglichen, wo sie erforderlich ist. Das können Therapien sein (Psychotherapie, Ergotherapie, Tiergestützte Therapie,…), Skills- und Elterntrainings und wenn notwendig auch medikamentöse Unterstützung.

Gefühlsstärke erkennen

Nachdem es sich um eine Spielart der Persönlichkeit und nicht um eine diagnostizierbare psychische Störung oder Krankheit handelt, gibt es keine messbare „Diagnose“ von Gefühlsstärke oder Hochsensibilität. Anhand verschiedener Kriterien kann aber eine (Selbst-)Einschätzung vorgenommen werden.

In Anlehnung an die Definition des „spirited child“ der US-amerikanischen Erziehungsexpertin Dr. Mary Sheedy Kurcinka formuliert die Autorin Nora Imlau 8 Merkmale für Gefühlsstärke.

Ausgehend von diesen Merkmalen kannst du auf www.gefuehlsstarke-kinder.de einen Test machen, ob dein Kind gefühlsstark ist. Auch Eltern können sich hier selbst testen.

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen, Alltagsbeispiele und zahlreiche praxisnahe Tipps findest du in den Büchern und Artikeln der deutschen Journalistin und Expertin für Familienthemen Nora Imlau, die ich nur wärmstens empfehlen kann. Sie hat den Begriff „gefühlsstark“ bekannt gemacht. Und das auf eine wie ich finde sehr gut verständliche, nachvollziehbare und wertschätzende Art.

www.gefuehlsstarke-kinder.de und www.nora-imlau.de

In meinem Blog und in meinem Newsletter (siehe unten) werde ich immer wieder über hilfreiche Themen und Tipps berichten. Melde dich gerne an, dann bist du immer auf dem Laufenden.

Ich wurde als betroffene Mutter für eine PULS 4-TV-Dokumentation zum Thema Burnout interviewt. 

Meine Geschichte als Mutter eines gefühlsstarken Kindes

Mutter eines gefühlsstarken Kindes zu sein ist etwas ganz Besonderes. Das konnte ich von Anfang an spüren, ohne es genau zu wissen. Es ist wunderschön, beflügelnd, emotional in alle Richtungen und unfassbar herausfordernd zugleich. Und es kann – gerade in Kombination mit diversen weiteren Aufgaben und Rollen in unserem Leben – zur völligen Überforderung führen. So ist es mir als berufstätige Mutter von zwei Kindern – eines davon gefühlsstark – im Laufe der Pandemie-Zeit gegangen. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich mir eingestehen musste: „Es geht so nicht weiter. Ich kann nicht mehr.“ Was ich lange nicht wahrhaben wollte, wurde fachärztlich diagnostiziert: Ich hatte ein Burnout.

Über diesen Teil meiner Geschichte als Mutter eines gefühlsstarken Kindes habe ich einen Blogartikel geschrieben. Denn heute kann ich darüber sprechen. Und ich finde es wichtig, meine Erfahrungen zu teilen.

Blog-Beitrag lesen ➜

Aus diesem Grund habe ich auch eine Interviewanfrage des österreichischen TV-Senders PULS 4 für eine Burnout-Dokumentation 2022 angenommen. Diese Entscheidung war nicht einfach für mich. Aber ich fand es wichtig, damit die Awareness für dieses Thema – gerade im Zusammenhang mit dem Muttersein – zu unterstützen. Hier kannst du den Beitrag nachschauen.